16. November 2025 jannik

Kasper und René

Märchenraten auf dem Dachboden mit Kasperle und René, 1969. „Kasper und René“ waren mehrere vom Westdeutschen Rundfunk produzierte Sendereihen, die zwischen 1964 und 1972 unter verschiedenen Serientiteln und in variierenden Formaten von der ARD hergestellt wurden. Inszeniert wurden sämtliche Serien um den titelgebenden Hohnsteiner Kasper und seinem menschlichen Freund und Co-Moderatoren Peter René Körner von dem Regisseur Peter Podehl. Die erste Episode der ursprünglichen Sendereihe „Märchenraten mit Kasperle und René“ wurde am 16. Mai 1964 in der ARD erstausgestrahlt.1) Zuvor war der vom Hamburger Puppenspieler und Drehbuchautoren Friedrich Arndt gespielte Hohnsteiner Kasper bereits seit Ende der 1950er Jahre durch auf Tonträger verbreitete Hörspielproduktionen deutschlandweit bekannt und populär geworden.2)

Beliebte Fernsehfiguren wie etwa der Hase Cäsar oder „Der Spatz vom Wallrafplatz“, die später mit eigenen erfolgreichen Fernsehserien bedacht wurden, hatten ihre ersten Auftritte innerhalb der Sendereihen mit Kasper und René. Podehl gab die Regie für die meisten dieser Spin-Offs an seinen Assistenten Armin Maiwald ab, welcher an den Produktionen mit Kasper und René von Anfang an mitwirkte.

1979 markierte Hallo Spencer eine „Rückkehr des Puppenensembles um eine Leitfigur“3), die genau wie der klassische Kasper eine große Puppentruppe um sich schart und so das ursprüngliche Typenensemble des alten Figurentheaters wiederbelebt. Es ergeben sich zahlreiche Strukturparallelen zwischen „Hallo Spencer“ und den Sendereihen mit Kasper und René. Die Folge 213: "Seid ihr alle da?" ist darüberhinaus eine von Podehl geschriebene und inszenierte Hommage an den Hohnsteiner Kasper, die Spencer in einem von den Dorfbewohnern aufgeführten Puppentheaterstück als dessen Nachfolger darstellt.

Konzept der Serien

Grundlage der Sendereihen mit Kasper und René ist ein von Gert K. Müntefering erdachtes Unterhaltungskonzept. Nach dem Vorbild zeitgenössischer Unterhaltungssendungen für Erwachsene konzipierte er mit dem „Märchenraten“ eine erste Quizsendung für Kinder. Zuvor habe Peter René Körner bereits eine Kinderunterhaltungssendung ohne den Hohnsteiner Kasper für den WDR moderiert, war dem jungen Publikum im Sendegebiet also bereits bekannt.4)

Hintergrund

Seit den 1950er Jahren trat bereits eine bunte Vielfalt von Puppenspielbühnen im deutschen Fernsehen auf, die insbesondere 6- bis 8-jährige Kinder ansprach. Neben der „Augsburger Puppenkiste“, die 1953 erstmals aus dem ehemaligen Luftschutzbunker am Hamburger Heiligengeistfeld Fernsehadaptionen ihrer Stücke sendete, wurden zB. auch regelmäßig Inszenierungen der „Königsteiner Puppenspiele“ (vom „Hohnstein-Ableger“ Rudolf Fischer) im Fernsehen gezeigt. Eine Bühne, die sich jedoch im besonderen Maße mit Kasper-Stücken hervortat und ebenfalls schon in der Pionierzeit der Fernsehübertragung eigene Sendungen für den NWDR5) produzierte, war die renommierte Hamburger Bühne der „Hohnsteiner Puppenspiele“ - ursprünglich von Max Jacob, später von Friedrich Arndt geleitet.

Der WDR [übertrug] in der Anfangsphase verhältnismäßig wenige Puppenspiele, vereinzelt [waren] Aufführungen der „Aachener Stockpuppenbühne“ (1959), des Handpuppenspielers Pater Hornau (1960) und der „Karlsbader Puppenbühne“ (1961) zu sehen.

(Christoph Schmitt über die „Live-Puppenspiele im Heimkino der fünfziger Jahre“, 19916))

Diese Produktionen waren bis gegen Ende der 1950er Jahre noch ausnahmslos billig produzierte Live-Sendungen. Fernsehbilder konnten lediglich gefunkt, aber noch nicht auf Magnetband aufgezeichnet, geschweige denn nachträglich bearbeitet oder geschnitten werden und die filmischen Mittel des Fernsehens als reines Übertragungsmedium waren vor Einführung der MAZ sehr begrenzt. Die einzige Möglichkeit vorproduziertes Material zu senden, war es, Lichtbildfilme mittels eines sogenannten „Abtasters“ über den Bildschirm zu funken. Wolfgang Buresch war zu dieser Zeit noch festes Ensemblemitglied der Hohnsteiner Puppenbühne und erinnerte sich folgendermaßen an die frühen Fernseharbeiten:

Die Hohnsteiner spielten zunächst im Rundfunk. Sie bauten im Sendesaal die Bühne auf und spielten normale Kinderstücke, Kinder wurden ins Studio eingeladen und ihre Reaktionen mitausgestrahlt; später kam eine Kamera hinzu, die die Bühne und das anwesende Kinderpublikum abfilmte… das waren die ersten Fernsehformen.

(Wolfgang Buresch über die ersten NWDR-Sendungen der „Hohnsteiner Puppenspiele“, 1991)

Der Kasper in seinen verschiedenen Darstellungen (egal ob durch Friedrich Arndt, durch die „Augsburger Puppenkiste“ oder später zB. durch eine langjährig vom NDR ausgestrahlte Verkehrserziehungssendung mit dem „Hamburger Polizeikasper“) wurde für Kinder zu einer zentralen medialen Identifikationsfigur der 1950er und 60er Jahre: Er war nicht nur in Fernsehen und Radio präsent, sondern auch in den Vorprogrammen der Kinos und mit einigem Erfolg von Arndt auf Schallplatte in Hörspielform verewigt. Die Produktion von „Märchenraten mit Kasperle und René“ durch den WDR markiert 1964 einen Umbruch. Trotz noch immer eingeschränkter Schnittmöglichkeiten bot sich die Magnetbandaufzeichnung zum filmischen Erzählen an, wovon der Regisseur Peter Podehl bereits seit 1960 für seine Sendereihe Aus dem Bücherschrank geholt Gebrauch machte. Podehl ließ den Hohnsteiner Kasper im Laufe der „Kasper und René“-Reihen aus den Theaterkontext abgefilmter Guckkastenbühnen treten und machte ihn durch den Einsatz filmsprachlicher Mittel zu einer frühen, modernen Fernsehpuppe. Der WDR-Redakteur Gert K. Müntefering konzipierte die Sendung mit Kasper und René zudem bewusst als Quizsendung, da er das Handpuppenspiel für die Dramatisierung von Märchen ablehnte. Müntefering rückte so die Unterhaltungsfunktion des ursprüngliche Kaspertheaters in den Vordergrund. Revolutionär war darüberhinaus der Dialog zwischen Mensch und Puppe: Das Zusammenspiel mit Peter René Körner als realmenschliche Moderationsfigur befeuerte die Improvisationsfreude und Spontaneität des Handpuppenspiels. Nur ein Jahr zuvor begann Jim Henson im US-Fernsehen innerhalb der von ABC produzierten „Jimmy Dean Show“ (1963-1966) ein vergleichbares Konzept zu erproben, allerdings bereits mit einer spezifisch fürs Fernsehen hergestellten Klappmaulpuppe statt einer Handpuppe im klassischen Sinn.7)

Gespielt und gesprochen wurde Kasper stets vom Puppenspieler Friedrich Arndt, der auch sämtliche Drehbücher beisteuerte. Weitere Figuren wurden von Rudolf Fischer8), dem Spielleiter des Darmstädter Puppenspiels, geführt, sowie von Wolfgang Buresch als freier Mitarbeiter. Als Arndt 1973 seine Spieltätigkeit beendete, verabschiedete sich auch der Kasper vom Bildschirm.9)

Die Serien mit insgesamt über 100 Episoden wurden allesamt unter der redaktionellen Aufsicht von Gert K. Müntefering und hauptsächlich in Köln produziert.

Bedeutung für "Hallo Spencer"

In der WDR-Sendung hatte sich die große Puppentruppe um den „Hohnsteiner Kasper“ noch erhalten, war aber funktionslos geworden, weshalb die Reihe als „Übergangsform“ bezeichnet wurde. Da die Telepuppe einen Realdarsteller à la „René“ zu ersetzen vermag, können „Kasper“ und „René“ zu einer Figur, nämlich „Spencer“ zusammengezogen werden. Gleichzeitig stellt die Eliminierung des Realdarstellers die Funktion des Typenensembles wieder her. […] Das alte Narrenkleid ist durch ein kariertes Sakko, die Zipfelmütze durch eine Schiebermütze ersetzt worden, aber die frisch-fröhliche, sehr selbstbewusste und zupackende Art und der Sinn für Humor und Späße aller Art sind geblieben.

(Christoph Schmitt über die „Rückkehr des Puppenensembles um eine Leitfigur“, 199110))

Angelika Paetow bestätigte, dass die Parallelen zwischen „Kasper und René“ und Hallo Spencer nicht bewusst beabsichtigt gewesen seien. Dennoch waren zum Einen Peter Podehl, Armin Maiwald und Friedrich Arndt entscheidende Mitwirkende an den Entwicklungen beider Serien - letzterer trainierte bis 1985 regelmäßig das Puppenspiel-Ensemble von „Hallo Spencer“. Zum Anderen wurde von Anfang an seitens der NDR-Redaktion auf die „Berücksichtigung deutscher bzw. europäischer Kulturelemente“11) hingewiesen und insbesondere der Redaktionsleiter Jürgen Weitzel verwies mehrfach auf den Zusammenhang zur Tradition des altbekannten Kasperletheaters mit magischen Figuren wie etwa Galaktika als eine moderne Interpretation des Typus einer „guten Fee“, oder etwa Poldi als Überlieferung des „Krokodil“-Typus und Elvis zB. als moderner „Seppel“.12)

In möglicher Anlehnung an die Fernsehanfänge von Kasper und René heißt die 132. Folge Märchenraten. Deutlicher sind die Anspielungen in Seid ihr alle da (213), die Peter Podehl als medienreflexive Hommage an Spencers kulturgeschichtliche Ursprünge schrieb und inszenierte.

Weitere Informationen

  • Anlässlich des Todes von Peter René Körner produzierte der WDR 1989 die Sendung „Wir erinnern uns an Peter René Körner“ mit Peter Podehl und Armin Maiwald. Darin zeigten die beiden Moderatoren zahlreiche Ausschnitte aus den Originalserien und kamen mit Mitwirkenden wie Gert K. Müntefering, Monika Paetow, Hans Posegga und Wolfgang Buresch ins Gespräch.

Filmographie von Kasper und René

(wird erweitert)

Bibliographie

  • Schmitt, Christoph: Die Entwicklung des Puppenfilms im Kinderfernsehen der Bundesrepublik von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: Kinderfernsehen III. Genres des Kinderfernsehens, hg. von Hans Dieter Erlinger u. Uwe Mattusch, Verlag Die Blaue Eule, Essen 1991.

Weiterführende Artikel

1)
Quelle: fernsehserien.de (Stand: 11.11.2025)
2)
Quelle: hohnsteiner-kasper.de (Stand: 04.11.2025)
3)
Schmitt, Christoph: Die Entwicklung des Puppenfilms im Kinderfernsehen der Bundesrepublik von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: Kinderfernsehen III. Genres des Kinderfernsehens (hg. von Hans Dieter Erlinger u. Uwe Mattusch), Verlag Die Blaue Eule, Essen 1991, S.61.
4)
Vgl. Wir erinnern uns an Peter René Körner, ARD 1989.
5)
Nordwestdeutscher Rundfunk, später WDR und NDR.
6)
Schmitt, Christoph: Die Entwicklung des Puppenfilms im Kinderfernsehen der Bundesrepublik von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: Kinderfernsehen III. Genres des Kinderfernsehens (hg. von Hans Dieter Erlinger u. Uwe Mattusch), Verlag Die Blaue Eule, Essen 1991, S.24.
7)
Quelle: muppet.fandom.com (Stand: 11.11.2025)
8)
Fischer war vor und nach dem Zweiten Weltkrieg Ensemblemitglied der Hohnsteiner Puppenspiele, bevor er 1947 die Königsteiner Puppenspiele gründete. Seit 1953 arbeitete er in Darmstadt und war als Puppenspieler u.a. für den HR tätig.
9)
Die letzte Sendereihe „Spaß mit Kasper und René“ wurde von 1972 bis 1973 erstausgestrahlt.
10)
Schmitt, Christoph: Die Entwicklung des Puppenfilms im Kinderfernsehen der Bundesrepublik von den Anfängen bis zur Gegenwart, in: Kinderfernsehen III. Genres des Kinderfernsehens (hg. von Hans Dieter Erlinger u. Uwe Mattusch), Verlag Die Blaue Eule, Essen 1991, S.62-63.
11)
„Mit dem Leben vertraut machen. 'Hallo Spencer' - Neue Kinderserie im III. Programm“, in: Der Nordschleswiger, 14.12.1979.
12)
Vgl. Göbbel, Heide Marie: Knautschkopf-Moderator im Bill-Ramsey-Look, in: Der Nordschleswiger, 07.09.1988.